Kurzinfo: Herr Resch wird diesen Herbst in Rottweil ebenfalls einen Vortrag zum Thema Gäubahn halten!
Das komplette Redemanuskript übernommen von der Webseite Ingenieure21 mit freundlicher Genehmigung von Wolfgang Grohe:
Liebe Freunde des Stuttgarter Kopfbahnhofs,
am 15. Mai habe ich euch hier an dieser Stelle über unsere Klage gegen die geplante Kappung der Gäubahn informiert. Seitdem sind keine drei Monate vergangen. Aber mit unserer Klage haben wir ganz offensichtlich in ein Wespennest gestochen – so heftig waren die Kommentare von Bahn, Eisenbahn-Bundesamt, Bundesverkehrsministerium und der Stadt Stuttgart. Ich möchte euch heute informieren was seitdem passiert ist und was in den kommenden Wochen und Monaten passieren wird. Denn leider haben wir hier in Stuttgart ein Informationsdefizit bzw. eine gewisse Unausgewogenheit, was bestimmte Printmedien angeht.
Daher bin ich auch Tom Adler so dankbar, dass er mich für heute eingeladen hat, euch zum Stand der Gäubahn die Fakten zu präsentieren.
Und mir so auch die Möglichkeit gibt, dafür zu werben, dass wir unseren Kampf für den Erhalt dieser wichtigen europäischen Schienenstrecke durchstehen können – mit Hilfe möglichst vieler Unterstützer, die uns juristisch, gesellschaftlich und finanziell beistehen.
Am 20. Juni 2023 haben wir unsere Klage beim VGH Mannheim eingereicht. Und zwar weil das Eisenbahn-Bundesamt unseren Antrag von 27. April nach knapp zwei Monaten weder nachgekommen ist noch überhaupt beantwortet hat. Eine Nicht-Antwort des EBA war und ist gleichbedeutend mit einer Ablehnung unseres Antrages auf maximal sechs Monate Unterbrechung der Gäubahnanbindung. Nun kann man ja sagen, zwei Monate sind für das EBA eine zu kurze Zeit. Für uns aber nicht, weil bereits in zwei Jahren die Gäubahn Geschichte sein soll. Ab Sommer 2025 geht dann nichts mehr mit dem Bahnverkehr auf der transeuropäischen Schienenstrecke, die Stuttgart mit dem Süden des Landes, mit der Schweiz und Norditalien verbindet.
Die Bezeichnung Eisenbahn-Bummelamt ist nichts Neues für das EBA, das ja auch für die Betriebsabnahme fertig gelieferter ICEs manchmal über ein Jahr Zeit braucht und dem Landesnaturschutzverband sogar über ein Jahr warten ließ, bevor dessen Antrag auf Erhalt der Gäubahn-Anbindung ebenfalls vor wenigen Wochen abgelehnt wurde.
Begrüßt wurde unsere Klage von den OBs und den Menschen die im Süden des Landes an der Gäubahn wohnen, arbeiten oder dorthin reisen. Vor allem aber auch in der Schweiz, die zwischenzeitlich bereits damit droht, die Gäubahnstrecke nicht mehr mit Schnellverbindungen zu bedienen und die deutsche Züge als direkte Bedrohung der pünktlichen Schweizer Bahn sieht und möglicherweise nicht mehr in ihre Verkehrsknotenpunkte einfahren lassen möchte.
Ich möchte an unsere Pressekonferenz erinnern, mit der wir unser Rechtsverfahren Anfang Mai bekannt gemacht haben, die Verwirklichung dieser rechtswidrigen Planung zur Abtrennung der Gäubahn vom transeuropäischen Bahnnetz (TEN) gemeinsam mit fünf betroffenen Oberbürgermeistern und einem Regierungsvertreter des Schweizer Kantons Schaffhausen die Wichtigkeit der Gäubahn für Klimaschutz und Verkehrswende herausgestellt haben.
Dabei waren folgende Politiker, die ich allesamt anrief und die mir erst einmal sagten, am Tag der PK bereits verplant zu sein. Am Ende des jeweiligen Telefonats sagten mir alle OBs zu, ihre Termine zu verschieben, zu wichtig sei ihnen unsere Klage.
1. Oberbürgermeister Bernd Häusler (CDU) / Singen
2. Oberbürgermeister Simon Gröger (parteilos) / Radolfzell
3. Oberbürgermeister Dr. Stefan Belz (Grüne) / Böblingen
4. Oberbürgermeister Uli Burchardt (CDU) / Konstanz
5. René Meyer, Leiter Koordinationsstelle öffentlicher Verkehr Kanton Schaffhausen (Schweiz)
6. Oberbürgermeister Michael Beck (CDU) / Tuttlingen
Ich hatte dabei erinnert, dass Bund, Land und die Deutsche Bahn seit Beginn der Planungen im Jahr 1994 den Bürgern gebetsmühlenartig immer wieder versprochen haben, dass der Bau des Tiefbahnhofs Stuttgart 21 zu keiner Verschlechterung der Bahnverbindungen in der Fläche führen werde – im Gegenteil sollte sich die desolate Situation verbessern.
Sie treten mit uns für den Ausbau einer leistungsfähigen Bahn ein. Sie wollen angebunden bleiben am transeuropäischen Bahnnetz und nicht systematisch dazu gezwungen werden, wie auch in diesem Sommer, alle Reisen von und nach Stuttgart mit dem Auto zu machen.
Mit unserer Klage fordern wir eine Politik für die Schiene und gegen noch mehr Autoverkehr ein!
Von Landesverkehrsminister Winfried Hermann wissen wir, dass er die Kritik der Verbände teilt, dass die 8 Gleise von S21 nicht genügen und die Amputation der Gäubahn mindestens sieben Jahre – wir gehen von 15 bis 20 Jahren aus – nicht gut findet. Vor wenigen (drei) Wochen hat sich das baden-württembergische Verkehrsministerium vertraulich gegenüber einer Bürgergruppe geäußert, ich zitiere:
„Die von Ihnen geäußerten Bedenken, dass die von der Deutschen Bahn im Rahmen der Realisierung von Stuttgart 21 ab Mitte des Jahres 2025 geplante mehrjährige Sperrung der Gäubahn im Bereich des Stuttgarter Nordbahnhofs erhebliche negative Auswirkungen auf die Nutzung des Schienenverkehrsangebots dieser Strecke durch die Fahrgäste im Fern- und Regionalverkehr haben kann, werden vom Verkehrsministerium geteilt.“
Und weiter: „Die heutige Qualität einer direkten Anbindung der Gäubahnzüge an den Stuttgarter Hauptbahnhof kann damit jedoch leider nicht erreicht werden und auch die Dauer der Unterbrechung ist deutlich länger als dies noch in der Ursprungsplanung der Fall war.“
Leider wird Winfried Hermann nicht aktiv. Er weiß genau, was der zu kleine S21 Bahnhof bedeutet für das Land. Und schreitet nicht gegen die Politik von BM Wissing und Bahnchef Lutz ein, die durch die systematische Abtrennung von in ihren Augen unwichtigen Nebenstrecken vom zu kleinen Tiefbahnhof diese Fehlplanung durch weniger dort verkehrende Züge kaschieren wollen.
Der Bundesverkehrsminister sabotiert eine leistungsfähige Bahn und betreibt Politik für die Autokonzerne. Er stellt sich diesem Vorhaben aber nicht in den Weg und ist damit bereit, eine weitere Verschlechterung der öffentlichen Verkehre in Baden-Württemberg zu akzeptieren.
Das gilt nicht für die Deutsche Umwelthilfe. Wir wehren uns für die Millionen betroffenen Menschen dagegen.
Während die betroffenen Bürgermeister südlich von Stuttgart und Regierungsvertreter der Schweiz mit absolutem Unverständnis auf die Haltung von Bahn und Stadt Stuttgart reagieren, letztere ist vor allem an ihren Milliarden-Immobilienprojekten interessiert – reagierte die Stadt nervös auf unsere Klage. ,,Wir sind nicht bereit, Abstriche zu machen. Verzögerungen bremsen die Stadtentwicklung aus„, wird Rathaussprecher Sven Matis in der Stuttgarter Zeitung vom 4. Juli zitiert.
Der Artikel trägt die spöttische Überschrift „S21: Umwelthilfe verschickt Bettelbriefe“
Ende Juli erhielt wir nun überraschend den mit unserer Klageeinreichung angenommenen ablehnenden Bescheid des EBA zugeschickt. Ein Redakteur der Zeitung meldete sich bei mir und meinem Anwalt, wir informierten ihn über Inhalt und Bedeutung des Bescheids des Minister Wissing unterstehenden Amtes. Tags darauf am 25.7. erschien ein weiterer Artikel in der Stuttgarter Zeitung, der mich dann doch etwas ärgerte. Und zwar erneut vor allem darüber, was in der Überschrift steht: „Kappung der Gäubahn wird wahrscheinlicher. Die Deutsche Umwelthilfe scheitert mit ihrem Versuch, die Unterbrechung der Gäubahn zu unterbinden“
Wie kann es eigentlich sein, dass eine de facto Monopolpresse Falschmeldungen in die Welt setzt?
War da nicht etwas in der Vergangenheit mit Tendenzberichterstattung gerade zum heiklen Zeitpunkt der Entscheidung des Vorlksentscheids zu S21?
Ich habe heute Morgen die alleswissende künstliche Intelligenz der Neuzeit, Chat GPT gebeten mir für die heutige Rede ihr Wissen zur Ausgewogenheit der Berichterstattung mitzuteilen. Ich musste ehrlich staunen, was mir Chat-GPT mitteilte, ich lese ungekürzt vor:
Ich: Mir geht es darum zu erfahren, welche konkrete Linie die StZ beim Volksentscheid redaktionell hatte. Insbesondere der stellvertretende Chefredakteur trat doch für S21 ein
Chat-GPT: Ja, das stimmt. Die „Stuttgarter Zeitung“ hat in ihrer Berichterstattung und Kommentierung tendenziell eine bahnfreundliche Haltung zu Stuttgart 21 eingenommen. Dies hat sich insbesondere in den Meinungsbeiträgen und Kommentaren von leitenden Redakteuren gezeigt.
Joachim Dorfs, der stellvertretende Chefredakteur zur Zeit der intensiven Auseinandersetzungen um Stuttgart 21, war einer der prominentesten Vertreter dieser Haltung innerhalb der Zeitung. In seinen Artikeln und Kommentaren hat er sich häufig für das Projekt ausgesprochen und die Vorteile eines modernen Bahnhofs und die Chancen für die Stadtentwicklung hervorgehoben.
Einige Aspekte, die Dorfs und andere Redakteure der „Stuttgarter Zeitung“ betonten:
1. **Wirtschaftliche Vorteile**: Sie argumentierten, dass S21 nicht nur ein Bahnhofsprojekt sei, sondern auch ein stadtentwicklungspolitisches Projekt. Durch die Freigabe von Flächen durch den Wegfall der Gleisanlagen könnten neue Wohn- und Geschäftsgebiete entstehen.
2. **Modernisierung**: Der neue Bahnhof wurde als notwendig für die Anforderungen des 21. Jahrhunderts betrachtet, sowohl in Bezug auf die Infrastruktur als auch auf die Zugkapazität.
3. **Städtebauliche Chancen**: Durch die Untertunnelung würden oberirdische Flächen frei, die für Grünflächen, Wohnraum und andere städtische Projekte genutzt werden könnten.
4. **Kritik an den Gegnern**: Es gab auch Artikel, die die Proteste gegen Stuttgart 21 kritisierten. Manche Redakteure sahen die Bewegung als zu emotional und nicht immer gut informiert.
Das bedeutet jedoch nicht, dass die Zeitung nicht auch kritische Stimmen zu Wort kommen ließ. Es wurden durchaus auch Gegenargumente und Bedenken gegen das Projekt in der Zeitung abgedruckt. Doch die redaktionelle Linie schien insgesamt eher pro Stuttgart 21 ausgerichtet zu sein.
Insgesamt können Sie in Ihrer Rede hervorheben, dass Joachim Dorfs und andere Redakteure der „Stuttgarter Zeitung“ maßgeblich dazu beigetragen haben, die Vorteile von S21 in der öffentlichen Debatte hervorzuheben, obwohl es natürlich auch kritische Stimmen innerhalb und außerhalb der Zeitung gab.
Ich hoffe sehr für die Zukunft, dass die Berichterstattung in allen Medien ergebnisoffen und fair wird. Ich richte mich auf eine harte Auseinandersetzung vor allem mit der Immobilien-Akteuren ein. Es geht um Milliarden-Investitionen.
Mit der Erhaltung der Gäubahnanbindung kann der Kopfbahnhof nicht verbaut werden. Das ist auch gut und wichtig für den Grundwasserschutz in Stuttgart. Darauf wurde ich gestern nochmals aufmerksam gemacht und gebeten, dies heute zu erwähnen. Und der unbebaute Kopfbahnhofsbereich ist auch wichtig fürs Stadtklima bei steigenden sommerlichen Temperaturen.
Wie geht es jetzt weiter?
Am 21. August 2023 ist Fristablauf für die vom Gericht angeforderte Klageerwiderung der Deutschen Bahn und des EBA´s. Das EBA hat nun mitgeteilt, dass man zunächst den Abschluss des Widerspruchsverfahrens abwartet und erst danach zur Klage inhaltlich vortragen wird. Erneut spielt das EBA auf Zeit. Das Gericht muss auch erst noch über seine Zuständigkeit entscheiden.
Wir werden uns nun auf alle Eingaben von EBA und DB reagieren müssen, gutachterlich weiter vortragen und die üblichen Horrorszenarien durch Gegenberechnungen klarstellen lassen müssen. Und wir wollen mit einer Vielzahl an Bahnhofsgesprächen entlang der Gäubahn Bürger, Institutionen und Politiker gegen die Sabotage am Bahnnetz und der geplanten Verkehrswende rückwärts mobilisieren.
Bitte helft uns für den Erhalt des Gäubahnanschlusses. Für die Verkehrswende und einen leistungsfähigen Bahnknoten Stuttgart durch den Erhalt des Kopfbahnhofs.
Und vielleicht – wer es sich leisten kann – Gäubahn-Pate der DUH wird.
Damit verabschiede ich mich heute bei euch. OBEN BLEIBEN!
Infos zu Jürgen Resch: Wikipedia | Vita (pdf) | Deutsche Umwelthilfe |